Elias-Mausoleum, Zentralfriedhof, Wien XI

Jüdische Mausoleen am Zentralfriedhof (II)

Wer sich die Mühe macht, die 800 Meter lange Zeremonienallee in der Alten Israelitischen Abteilung des Zentralfriedhofs in voller Länge abzugehen, wird ganz hinten, fast schon beim Tor 11, mit einem echten architektonischen Highlight belohnt: Dem Grabmal des Jacques Menachem Elias (1844-1923), das den Eindruck erweckt, man hätte einen der Gartenpavillons der Alhambra abgetragen und nach Wien versetzt. Vor allem die charakteristischen Zackenbögen der offenen Arkaden und die Kuppel mit dem Sterndekor erinnern frappant an die Architektur des maurischen Spanien.

Nun mag es angesichts der heutigen weltpolitischen Lage bizarr, jedenfalls aber erklärungsbedürftig erscheinen, dass an einem jüdischen Mausoleum ausgerechnet Elemente der islamischen Bautradition verwendet wurden, aber dafür gibt es einen ganz einfachen Grund: Das Elias-Grabmal befindet sich in der sephardischen Abteilung des Friedhofs. Als Sepharden bezeichnet man jene Juden, die im Mittelalter auf der Iberischen Halbinsel lebten, bzw. deren Nachfahren, die sich nach der Vertreibung aus Spanien (1492) und Portugal (1513) vor allem in Italien, Nordafrika und im Osmanischen Reich ansiedelten. Um diese iberischen Wurzeln zu betonen, griffen die sephardischen Gemeinden zur Zeit des Historismus im 19. und frühen 20. Jahrhundert gerne auf Bauformen der maurischen Architektur zurück, hatte das Judentum doch besonders unter den relativ toleranten islamischen Herrschern des mittelalterlichen Kalifats von Cordoba eine kulturelle Blütezeit erlebt.

Auch in Wien gab es im 19. Jahrhundert eine bedeutende sephardische Gemeinde, deren Mitglieder zu einem großen Teil aus dem Osmanischen Reich eingewandert waren. Für sie wurde in den Jahren 1885 – 1887 der sogenannte Türkische Tempel (ehm. Zirkusgasse, Wien II) im maurischen Stil errichtet. Nicht zuletzt dank ihrer reichen Innenausstattung galt diese Synagoge seinerzeit nicht nur als eine der prachtvollsten Wiens, sondern ganz Mitteleuropas. Architekt war der Experte für orientalisierende Baukunst in Wien, Hugo von Wiedenfeld (1852-1925), der kurz darauf auch für den Bau der Zacherlfabrik verantwortlich zeichnete. Neben der Zacherlfabrik war der Türkische Tempel der wohl bedeutendste Bau des Orientalismus in Wien. Nach seiner Zerstörung im Zuge der Novemberpogrome von 1938 ist nun gewissermaßen das Elias-Mausoleum auf dem Zentralfriedhof in diese Rolle gerückt.

Der Grabbau wurde nach Plänen von Stefan Fayans (1879-1942) für den aus Bukarest stammenden Jacques Menachem Elias errichtet. Elias hatte es als Zuckerfabrikant zu einem ansehnlichen Vermögen gebracht, in Erinnerung geblieben ist er jedoch in erster Linie als an Kultur und Bildung interessierter Philanthrop: Schon 1914, neun Jahre vor seinem Tod, verfügte er testamentarisch, dass sein Vermögen nach seinem Ableben in Form einer Stiftung der Rumänischen Akademie zur Förderung der nationalen Kultur zur Verfügung stehen sollte. (Übrigens war es auch die Rumänische Akademie, die das Grabmal in Wien 1992-1993 restaurieren ließ.)

Über die genaue Entstehungszeit des Mausoleums herrscht offenbar Unklarheit. In der Literatur – auch in seriösen Publikationen wie dem Dehio – wird in der Regel 1923, das Todesjahr von Jacques Elias, angegeben. Ich muss gestehen, dass mir diese Datierung immer schon ein wenig seltsam vorgekommen ist, da der Bau doch so klar in der Tradition des Späthistorismus steht, dass seine Formensprache in den 1920ern eigentlich bereits veraltet gewesen wäre. Nach ein wenig Recherche bin ich nun tatsächlich auf einen Beleg gestoßen, dass das Grabmal spätestens 1911 bereits fertig gestellt war: In der Wiener Bauindustrie-Zeitung Nr. 15, 1911, S. 125, findet sich ein kurzer Bericht über das Monument, dem auch ein Foto des vollendeten Baus beigegeben ist. Zudem heißt es in dem Text, dass „die terrassenartige Voranlage erst jüngst dazukomponiert wurde„, was impliziert, dass die Architektur an sich damals bereits seit einiger Zeit bestand. Ob es sich dabei um einige Wochen, einige Monate oder gar einige Jahre handelte, muss jedoch offen bleiben. Einen Anhaltspunkt für Zeitpunkt und Anlass der Entstehung liefert allerdings das Mausoleum selbst: Wie schon die Dreizahl der Arkadenöffnungen nahelegt, sind hier nämlich neben Jacques Elias noch zwei weitere Personen begraben, und zwar Jacques‘ Bruder Abraham (gest. 1908) und dessen Frau Pauline (gest. 1909). Es liegt daher nahe anzunehmen, dass der Tod des Bruders, spätestens aber der Tod der Schwägerin Jacques Elias dazu veranlaßte, das Grabmonument in Auftrag zu geben.

Der Artikel von 1911 gibt freilich nicht nur einen wichtigen Hinweis auf die Entstehungszeit des Baus, sondern listet penibel auch die verwendeten Materialien auf. Und diese Liste kann sich durchaus sehen, denn offenbar war hier nur das Beste gut genug:

„Der ganze Unterbau des Mausoleums und der Einfriedungssockel sind aus schlesischem Granit hergestellt. Aus demselben Material sind die Sockelplatten unter den Säulengruppen ausgeführt. Der Bau selbst samt der ornamentierten Kuppel ist aus Carrara „biancopi“-Marmor errichtet, die Säulenschäfte aus hellrotem Baveno-Granit, die Säulenkapitäle und Säulenbasen aus Bronzeguß, gleichwie das Umfriedungsgitter und die Inschriften. Für die Schrifttafeln ist ungarischer Marmor verwendet worden. Die rückwärtige Fassade des Mausoleumsbaues ist gleich der vorderen architektonisch behandelt worden und mit belgischem Marmor inkrustiert.“

Eine solche Kombination verschiedener hochwertiger Materialen ist für Prachtbauten der Ringstraßenzeit durchaus charakteristisch und zeugt vom hohen Anspruch des Grabmals. Damit nicht genug, wurden auch noch „die in der ersten Gruftreihe an der Hauptallee gelegenen Grabstellen angekauft„, damit der freie Blick auf das Mausoleum nicht etwa durch andere Grabmonumente verstellt werden könnte. Summa summarum, heißt es, kostete die Anlage die stolze Summe von 90.000 Kronen, was einer heutigen Kaufkraft von etwas über 300.000 Euro entspricht.

Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, dass die im obigen Zitat genannten Umfriedungsgitter heute verloren sind – man kann sie aber auf dem erwähnten Foto von 1911 gut erkennen. Mit ihrer reichen Ornamentik lassen sie den Bau noch eine kleine Spur eleganter und prachtvoller erscheinen als er es heute ohnehin noch ist.

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The mausoleum of Jacques Menachem Elias (1844 – 1923) is one of the most important examples of Moorish Revival architecture in Vienna. Losely based on the architecture of Moorish Spain, especially the Alhambra, it was built sometime between 1908 and 1911 by architect Stefan Fayans. The choice of style is due to the fact that Elias belonged to the Sephardic community who trace their origins back to the Jews who had lived in the Iberian Peninsula before their expulsion from Spain and Portugal around 1500.

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